Burnout - Fluch oder Segen?

 

Wieso gerade ich? Diese Frage stellen sich bestimmt alle vom Burnout Betroffenen. Mir wurde die Frage gestellt: "Wieso gerade DU?" - Ganz einfach: Weil ich eine Perfektionistin bin. Das weiß ich und deshalb war ich auch so hochmütig zu denken, dass MIR so etwas nicht passieren könnte. Doch meine Seele war hier anderer Meinung.

 

Die Anforderungen in meinem Leben wurden immer größer und immer mehr. Und immer noch habe ich gedacht: 'Das mache ich schon! Das schaffe ich schon!' Dass dabei dann irgendwann der eigentliche Seelenweg auf der Strecke bleibt, ist vorprogrammiert. Ich fing an zu "funktionieren". Keine Zeit mehr für das, was mir Freude bereitete. Unter dem Motto: Freude? Was war das eigentlich nochmal? - Das was mir am Herzen lag, wurde hintenangestellt. 'Ich schaffe das schon noch, wenn ich mich nur noch mehr anstrenge. Dann wird auch für das Schöne wieder Zeit sein.' Irgendwann merkte ich, dass ich in dem berühmten Hamsterrad steckte. Doch wie komme ich da wieder raus? Vielleicht indem ich noch schneller renne und mich noch mehr anstrenge, obwohl ich merkte, dass ich schon längst über dem Limit war. Und so raste ich weiter unaufhaltsam gegen die Wand und flog raus aus dem Hamsterrad. Ich blieb liegen. Nichts ging mehr. Schluss. Ende. Aus. Seeleninfarkt.

 

Von zweihundert auf null - angekommen im Hier und Jetzt. Denken ging nicht mehr und auch alles andere nicht. Das Erschreckendste war, dass ich nichts mehr fühlen konnte. Nur noch schlafen, dösen, weinen, leer sein. Nichts tun können, weil der Körper versagt und das Herz aus dem Rhythmus geraten ist und macht, was es will. Alles war getrennt - Körper, Geist und Seele - alles befand sich an einem jeweils anderen Ort. Es gab mich einfach nicht mehr, ich hatte mich aufgelöst, ich existierte nicht mehr. Ich war lebendig tot.

 

Eine Art Winterschlaf hatte mich eingehüllt und ich hatte alle Zeit der Welt. Zeit, die ich mir zuvor nicht gönnte. Meine Seele hatte die Notbremse gezogen. Sie ist einfach ausgestiegen, weil sie den Weg, den ich eingeschlagen hatte, mit mir nicht mehr weitergehen wollte. 

 

Fragen tauchten plötzlich auf. Was ist bloß passiert? Wieso habe ich das nicht vorher gemerkt? Wird dieser Zustand bleiben? Wird es mir jemals wieder besser gehen? Wie soll mein Leben jetzt werden? Was kann ich überhaupt noch machen? Werde ich für immer in diesem Zustand bleiben? Dieser Zustand!!! Eines wusste ich aber: Ich muss mein Leben ändern! Aber wie? Wie geht das? Was muss ich ändern? Was will ich überhaupt? Die Fragen wurden immer existenzieller. Wer bin ich? Wo liegt meine Freude? Wo ist meine Berufung? Dass ich mir diese Fragen nach so vielen Jahren erneut stellte, wunderte mich. Ich weiß, wer ich bin! Ich weiß auch, wobei ich meine Freude finde! Und ich kenne meine Berufung! Aber warum bin ich denn meinem Weg nicht weiter gefolgt? Und warum bin ich so weit von meinem Weg abgekommen? Ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht so genau. Aber ich habe eine Vermutung. Alles was ich in meiner Arbeit anbiete, habe ich selbst erlebt und ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich weiß genau, wie sich die Menschen fühlen, wenn sie mit ihren Problemen zu mir kommen.

 

Ich habe mich immer gefragt, wie fühlt sich das an, wenn man ein Burnout hat? Tatsächlich gibt es immer mehr Betroffene. Und das Burnout trifft nicht nur leitende Angestellte, Manager oder Unternehmer, es sind inzwischen auch Hausfrauen und Mütter mit Kindern. Die Ursache ist längst nicht nur im Job zu suchen, auch im Privatleben kann es einen treffen. Woran liegt das? - Ich als Perfektionistin vermute, dass es genau um diese Perfektion geht. Alles muss noch schneller, noch höher, noch weiter, noch besser, noch schöner, noch schlanker, noch gesünder, noch jugendlicher, noch PERFEKTER werden. Das ist Wahnsinn!!! Wir überfordern uns durch fremde und eigene Ansprüche so sehr, dass wir blind sind für unsere eigenen individuellen Bedürfnisse und vor allem für die Grenze unserer eigenen Belastungsfähigkeit. Ist mein Leben perfekt? Ist mein Haus perfekt? Ist meine Familie perfekt? Ist das, was ich tue perfekt? Bin ich perfekt? - WER darf das alles beurteilen? NIEMAND!!! Nicht mal wir selbst!

 

Von Kindesbeinen an lernen wir, was falsch an uns ist. Es sind die anerzogenen, überzogenen und manipulierenden Erwartungen, die uns vergessen lassen, wer wir sind und was sich für uns gut und richtig anfühlt. Wir werden regelrecht verwirrt. Es ist gefährlich wenn wir nicht mehr wissen wer wir sind, denn dann werden wir es anderen überlassen über uns zu urteilen, was wir können, was wir brauchen und wie unser Leben auszusehen hat. Das ist fatal. Wir dürfen uns nicht auf die Forderungen und Meinungen anderer verlassen, das führt zum eigenen Selbstverlust.

 

Die eigene Entwicklung gehört zu den Lebensaufgaben des Menschen. Wir sind doch hier auf der Erde inkarniert, um unser Selbst weiterzuentwickeln, es tiefer zu verstehen und um es weiter zur Entfaltung zu bringen. Die größte Chance beim Burnout ist, wieder Sinn zu finden. Sinn ins eigene Leben zu bringen, der die Seele nährt und die Hoffnung wachsen lässt. Leben bedeutet, sich immer neuen Anforderungen zu stellen. Ob wir uns mit Freude und Hingabe diesen Aufgaben stellen oder uns dabei verschleißen und verlieren, das ist eine Entscheidung, die wir selbst treffen. Wenn wir aus unserer Mitte, aus unserem Selbst heraus leben, dann haben wir Kraft und Mut und unser Weg ist sehr klar und es fühlt sich immer im Inneren auch GUT an!

 

Mein Winterschlaf ist beendet. Es ging von ganz allein irgendwie bergauf, eben ohne zu tun und darüber bin ich sehr froh. Die eigentliche Herausforderung aber ist, ganz bei mir zu bleiben, sanft zu mir und meinem Körper zu sein und mich durch meine Seele leiten zu lassen. Das loszulassen, was mich belastete oder einfach nicht mehr in mein Leben passte. Dazu gehörte auch mein Glaubenssatz: "Ich habe keine Daseinsberechtigung, wenn ich nichts tue." Denn im Winterschlaf konnte ich nichts tun und noch immer bin ich am Leben. Es wurde Zeit aufzuhören, unschuldige Opfer zu opfern. Es war Zeit, wie Phönix aus der Asche zu steigen und mein Leben wieder in die richtige Richtung zu lenken.

 

Das Burnout ist ein Geschenk des Lebens, nicht gegen, sondern für uns. Ein Weg zu uns selbst, zurück zu dem, was wirklich wichtig für uns ist und uns Freude bereitet und uns glücklich sein lässt.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marie (Samstag, 27 Januar 2018 19:48)

    Wow, was für ein toller Beitrag.
    Ich selbst bin Mutter von 2 Kindern und fühle mich so von deinen Zeilen angesprochen.
    Diese Zeit, in der wir leben, stellt wahnsinnig viele Ansprüche an uns, dennoch hat sich unsere Seele dazu entschlossen diesen Weg ,durch diese schnelllebige Zeit zu gehen.
    Das Wichtigste dabei ist jedoch positiv zu bleiben und sich diese sogenannte "Schwäche" einzugestehen.
    Desto mehr Menschen verstehen, dass Höher,Schneller,Weiter auch irgendwo eine Grenze hat, desto eher finden wir in eine langsamere Welt zurück.
    Bis dahin liegt es an jedem Einzelnem, seine Seele zu schützen und sich auf die Sache zu besinnen, die einem Freude bereiten.
    Liebe Grüße